Im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge von ehrenamtlichen Vormündern begleitet. Ein Erfahrungsbericht.
„Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.“ Dieses afrikanische Sprichwort mag das Motto für die Behandlung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge gewesen sein. Mit der Vergabe von Vormundschaften an Ehrenamtliche geht der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen dabei einen besonderen Weg.
Die Gründe, warum Kinder und Jugendliche ohne Eltern nach Deutschland kommen sind vielfältig: Manchmal reicht das Geld für Schlepper nur für dieses Kind, manche flüchten aus dem Einsatz als Kindersoldaten oder Arbeitssklaven, andere werden von ihren Eltern auf der Flucht getrennt. Eines ist ihnen jedoch gemein: Sie alle stehen noch in ihrer Entwicklung und benötigen Hilfe.
Durch die UN-Kinderschutzkonvention haben unbegleitete Flüchtlinge Ansprüche. „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ - § 1 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes gilt auch hier.
Dies beginnt bei der Unterbringung. Unbegleitete Flüchtlinge werden in pädagogischen Wohngruppen untergebracht, im Landkreis Weißenburg unter anderem auf der Wülzburg unter Trägerschaft der Rummelsberger Dienste. In einem strukturierten Tagesablauf mit Integrationsklasse der Berufsschule, Deutschkursen, selbständigem Einkaufen, Kochen und Haushalten sowie Freizeitangeboten lernen sie das Alltagsleben hier kennen.
Seit Dezember 2015 habe ich die Vormundschaft für einen der Jungs auf der Wülzburg übernommen. Das Jugendamt suchte Ehrenamtliche und ich hatte mich gemeldet. Die rechtliche Stellung eines Vormunds ist zu vergleichen mit der von Eltern, nur dass das Mündel – wie das Kind in diesem Fall heißt – in einer Einrichtung der Jugendhilfe lebt. Mit der Vormundschaft sind staatliche Stellen in mein Leben getreten, die ich bislang nur vom Studium oder vom Hörensagen kannte: Familiengericht, Vormundschaftsstelle, Jugendamt, Integrationsklasse, Ausländerbehörde. Was ich so nicht unbedingt erwartet hatte: Die Mitarbeiter all dieser Stellen trugen freundlich und hilfsbereit ihren Teil dazu bei, die Entwicklung meines Mündels zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu fördern.
Ganz anders das Asylverfahren. Hier zählt allein, ob die Gründe für die Flucht für die Anerkennung genügen. Formfehler, Fristversäumnisse, das Risiko des Scheiterns ist stets vor Augen. Die Unterstützung kommt hier von anderer Seite. Engagierte Ehrenamtliche, ein erfahrener Dolmetscher, die Pädagogen in der Einrichtung helfen, auch diese Hürde zu meistern.
Ein ganzes Dorf für die Erziehung eines unbegleiteten minderjährigen Kindes mit Fluchthintergrund zu mobilisieren, ist wichtig. Eigenverantwortliche und gemeinschaftsfähige Persönlichkeiten werden in unserer Gesellschaft gebraucht. (mw)